Verifikation im Bereich des Biowaffenübereinkommens neu denken (VERIBIO)
Das Übereinkommen über das Verbot biologischer Waffen (BWÜ) ist, zusammen mit dem Chemiewaffenübereinkommen (CWÜ) und dem nuklearen Nichtverbreitungsvertrag (NVV), ein zentraler Ausgangspunkt für das internationale Nichtverbreitungsregimes von Massenvernichtungswaffen. Anders jedoch als mit der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OVCW) für das CWÜ oder der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) für den NVV existiert im BWÜ derzeit aber keine Institution, die mit der Verifikation des Übereinkommens mandatiert ist. Untersuchungen vermeintlicher Einsätze biologischer Waffen sind lediglich im Rahmen des sogenannten VN-Generalsekretärs-Mechanismus(VNGM) vorgesehen, der kein Ersatz für einen transparenten, investigativen, vertragsbasierten Mechanismus ist.
Das Nichtvorhandensein eines Verifikationsregimes im BWÜ ist schon seit langer Zeit ein Stolperstein auf dem Weg zu einem stärkeren Übereinkommen. Gegenwärtig werden die Verhandlungen von den BWÜ-Vertragsstaaten erneut aufgenommen, u.a. mit dem Ziel, mögliche Maßnahmen zur Einhaltung und Überprüfung des Übereinkommens zu identifizieren. In diesem Sinne gilt es noch viele offene Fragen zu beantworten:
- Welches sind die allgemeinen Rahmenbedingungen für ein zukünftiges BWÜ-Verifikationskonzept unter Berücksichtigung der aktuellen technischen und politischen Gegebenheiten?
- Wie soll eine BWÜ-Verifikation im industriellen Bereich ausgestaltet werden unter der Prämisse einer stark diversifizierten biotechnologischen Kulisse, bei der Compliance-relevante Aktivitäten zu einem signifikanten Anteil bei akademischen oder privaten, global tätigen Akteuren zu finden sind?
- Welche wissenschaftlichen und technischen Errungenschaften können für den Verifikationsmechanismus des BWÜ sinnvoll genutzt werden und die im Rahmen des VNGM bereits etablierten Methoden komplementieren?
- In welchem Verhältnis sollte ein Verifikationsmechanismus zu anderen Institutionen des BWÜ stehen, über die ebenfalls verhandelt wird (z.B. das so-genannte Science and Technology Board)?
Diese Fragen stehen im Fokus des Forschungsvorhabens der Nachwuchsgruppe VERIBIO, einem Verbundprojekt der Universität Hamburg (UHH) und der Technischen Universität Hamburg (TUHH). An der UHH sind das Zentrum für Naturwissenschaft und Friedensforschung (ZNF) und Institute for Computational Systems Biology (CoSy.Bio) beteiligt, an der TUHH das Institut für Bioprozessund Biosystemtechnik. Der inhaltliche Schwerpunkt von VERIBIO liegt auf der tiefgehenden Auseinandersetzung mit den Herausforderungen für einen mölglichen ex ante Verifikationsmechanismus im industriellen Bereich, bei dem es darum geht, einzelne Biowaffen-relevante Aktivitäten staatlicher und privater Akteure frühestmöglich, also in der Entwicklungs- oder Produktionsphase, zu erkennen.
Die Bearbeitung erfolgt in Form eines mehrschichtigen Konzepts. Im naturwissenschaftlich-technischen Teil von VERIBIO wird eine Methode für eine mögliche Überprüfung industrieller Bioprozesse entwickelt, die als ein Frühwarnsystem eingesetzt werden kann, ohne die Vertraulichkeit industrieller Prozesse zu gefährden. Der Aufbau des Systems beruht auf der praktischen Umsetzung von Konzepten aus der Bioprozesstechnik und der Bioinformatik. Parallel dazu werden aktuelle wissenschaftliche und technische Entwicklungen, die sich als Instrumente für eine zukünftige BWÜ-Verifikation anbieten, holistisch analysiert. Die Analyse wird von Expert*innen-Befragungen aus der Wissenschaft und der Industrie begleitet, u.a. unterstützt durch die Zusammenarbeit mit dem VERIBIO-Transfernetzwerk. Zusätzlich soll im engen Austausch mit den Vertreter*innen aus der Industrie ein Konzept für eine BWÜ-Verifikation aus der Perspektive industrieller Interessengruppen erstellt werden. Das Ziel ist dabei, einen konzeptionellen Rahmen für eine BWÜ-Verifikation im industriellen Bereich zu entwickeln, die einerseits die Besonderheiten eines modernen digitalisierten und stark vernetzten Bioindustriesektors berücksichtigt und sinnvoll einbindet, und andererseits hohe Akzeptanz bei den involvierten Akteuren findet.
Die naturwissenschaftlich-technische Ebene von VERIBIO wird durch eine politikwissenschaftliche Ebene erweitert. Im engen Austausch mit dem naturwissenschaftlich-technischen Teil werden die Anforderungen an die Neukonzeption der Verifikation im BWÜ unter der Berücksichtigung einer geopolitisch volatilen Welt analysiert. Dabei wird auf die vorhandene Expertise der Arbeitsgruppe am ZNF an der Schnittstelle von Naturwissenschaft und Friedensforschung aufgebaut. Die Vermittlung der Ergebnisse in Forschung und Politik wird vom Auswärtigen Amt, dem Institut der Vereinten Nationen für Abrüstungsforschung (UNIDIR), dem Verband Biologie, Biowissenschaften und Biomedizin (VBIO e.V.), dem Branchenverband der Biotechnologie-Industrie BIO Deutschland e.V., und dem Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr in München in ihrer Funktion als Transferpartner der Nachwuchsgruppe unterstützt.