Carl Friedrich von Weizsäcker und das ZNF
Carl Friedrich von Weizsäcker war Philosoph, Physiker, kannte sich bestens in diversen Theoriegebieten der Sozialwissenschaften aus und am Ende seines Lebens befasste er sich schließlich mit theologischen Fragestellungen.
Schon seine Ausbildung legte er breiter an, als es für einen klassischen Physiker üblich gewesen wäre: In den Jahren 1929 bis 1933 studierte er Physik, Astronomie und Mathematik in Berlin, Göttingen und Leipzig. Zu seinen Professoren zählten unter anderem Werner Heisenberg und Friedrich Hund.
Als die Atombomben über Hiroshima und Nagasaki 1945 explodierten, befand sich von Carl Friedrich von Weizsäcker in amerikanisch-britischer Gefangenschaft im englischen Farm Hall. Er war tief erschüttert von den katastrophalen Auswirkungen.
Von 1939 bis 1942 war von Weizsäcker an dem deutschen Atomforschungsprogramm beteiligt, für das beim Heereswaffenamt wegen seiner möglichen Relevanz für den Bau einer Atombombe Geld eingeworben wurde. Die NS-Führung sah jedoch keine kurzfristigen Erfolgsaussichten und verfolgte diesbezügliche Forschungsaktivitäten ab 1942 nur noch mit geringer Aufmerksamkeit. Weizsäcker wurde erst im Nachhinein im ganzen Umfang deutlich, wie nah er selbst daran gewesen war, seine Fähigkeiten als Physiker zur Entwicklung der Atombombe einzusetzen.
Nach der Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft wurde Carl Friedrich von Weizsäcker Leiter der Theoretischen Abteilung am Max-Planck-Institut für Physik in Göttingen.
Im März 1954 wurde dann der als „Castle Bravo“ bekannt gewordene US-amerikanische Wasserstoffbombentest im Bikini-Atoll durchgeführt. Mit einer Sprengkraft von etwa 15 Megatonnen TNT Äquivalent war sie fast 2,5 Mal so stark war wie von Wissenschaftlern vorhergesagt. Das verseuchte Gebiet war 2.500 Mal größer als das der Bombe, die im August 1945 auf Hiroshima geworfen wurde. Die Physiker um Carl Friedrich von Weizsäcker waren entsetzt. Sie schätzten die Gefahr, dass man den Planeten Erde auf diese Weise zerstören werde, nun deutlich höher ein und sahen sich jetzt mit Nachdruck zum Handeln aufgefordert.
In die Öffentlichkeit trat Carl Friedrich von Weizsäcker als einer der „Göttinger 18“. Das war der Kreis jener Physiker, welche sich am 12.April 1957 mit der Unterzeichnung der „Göttinger Erklärung“ gegen eine Aufrüstung der Bundeswehr mit Atomwaffen öffentlich aussprachen. Sie machten ausdrücklich klar, dass Sie für ein derartiges Programm unter keinen Umständen zur Verfügung stünden.
1957, mitten in der Diskussion um die atomare Aufrüstung Deutschlands, bekam Carl Friedrich von Weizsäcker einen Ruf an das Philosophische Seminar der Universität Hamburg, dessen Direktor er später wurde. Seine Vorlesungen genießen bis heute einen besonderen Ruf. Auch aus diesem Grund hat sich die Universität Hamburg im Jahr 2005 sicherlich besonders um die Carl Friedrich von Weizsäcker Professur bemüht.
Als Konsequenz der „Göttinger Erklärung“ wurde 1959 in Berlin durch von Weizsäcker und anderen Wissenschaftlern die „Vereinigung Deutscher Wissenschaftler“ (VDW) gegründet. Zweck der Organsiation ist es „Das Bewusstsein der in der Wissenschaft Tätigen für ihre Verantwortung an den Auswirkungen ihrer Arbeit auf die menschliche Gesellschaft wach zu halten und zu vertiefen“. Hier lässt sich eine Brücke zu der heutigen Arbeit am Zentrum für Naturwissenschaft und Friedensforschung schlagen: In der Lehre des ZNF geht es zentral darum den Studierenden Anreize dafür zu geben ein Bewusstsein zu entwickeln für die Verantwortung, die ein in der Wissenschaft tätiger Mensch trägt. Das galt früher genau wie heute.
Carl Friedrich von Weizsäcker leitete schließlich die VDW Forschungsstelle für Kriegsverhütung und Ernährungslage der Welt. Mit Gründung der VDW wurde auch gleichzeitig die deutsche Pugwash-Gruppe eingerichtet. 1957 bildete sich auf Grund des „Russell-Einstein-Manifestes“ (1955) die „Pugwash Conferences on Science and World Affairs“. Diese internationale Organisation beschäftigt sich bis heute mit Fragen der atomaren Bedrohung, bewaffneten Konflikten und Problemen der internationalen Sicherheit. Carl Friedrich von Weizsäcker war 1958 der erste deutsche Wissenschaftler, der an einer Pugwash-Konferenz teilnahm.
Die Arbeit am Philosophischen Seminar ging Hand in Hand mit den Themen, die in der VDW Forschungsstelle bearbeitet wurden. Jetzt war Carl Friedrich von Weizsäcker tatsächlich in der Lage die engen Grenzen einer einzelnen Disziplin zu überwinden und multipel auf die Erfordernisse zu blicken, die einer Befriedung der Welt dienlich wären. Das ZNF sieht sich in der Tradition der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler (VDW).
Angeregt von der interdisziplinären Arbeitsweise der Forschungsstelle des VDW und die aus der Physik heraus entwirckelte, komplexe Betrachtungsweise des Gegenstands ´Frieden´ durch die Person Carl Friedrich von Weizsäcker selbst, haben im Jahre 2003 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus 10 Fachbereichen und dem IFSH den Gedanken verfolgt, ein Zentrum in Hamburg zu gründen, dass einen naturwissenschaftlichen Schwerpunkt haben und Fragen zu Frieden über mehrere Disziplinen hinweg verknüpfen sollte.
Carl Friedrich von Weizsäcker widmete sein Studium in erster Linie der Physik. In ihr sah er auch im hohen Alter noch den Kern der Wissenschaften. Die Forschung des ZNF dreht sich zentral um die Frage, mittels welcher physikalischen Methoden die Bedrohung der Welt durch atomare Waffen reduziert werden kann. Die Arbeiten zu Abrüstungsverifikation liegen ebenso auf diesem Gebiet wie die Ultraspurenanalyse. Der größte Teil der Forschung am ZNF wird daher auch von Physikern ausfgeführt.
1970 wurde schließlich eigens für Carl Friedrich von Weizsäcker das Starnberger Max-Planck-Institut zur Erforschung der Lebensbedingungen der wissenschaftlich-technischen Welt gegründet, dessen Direktor er bis 1980 war. In diesem Institut wurde verstärkt mit sozialwissenschaftlichen Ansätzen gearbeitet. Auch am ZNF finden Aspekte der Friedensforschung aus anderen Disziplinen Platz. Es hat in der Vergangenheit zahlreiche Arbeiten in Kooperation mit unterschiedlichen Fachgebieten gegeben, die Krieg und Frieden zum Gegenstand hatten. Durch die enge Beziehung zum IFSH und die gemeinsame Organisation der regelmäßigen Workshops "Wege aus der Gewalt" hat das ZNF einen intensiven Austausch mit Forscherinnen und Forschern auf dem Gebiet der Friedens- und Konfliktforschung aus unterschiedlichsten Bereichen. Nicht zuletzt wird in der Forschungsstelle ´Biologische Waffen und Rüstungskontrolle´ vorwiegend aus sozialwissenschaftlicher Perspektive mit dem Thema Biologische Waffen umgegangen.
Nach einer Begegnung mit dem indischen Pandit Gopi Krishna kam es im Leben von Carl Friedrich von Weizsäcker schließlich zur Gründung der „Forschungsstelle für westliche Wissenschaft und östliche Weisheit“ einer Gesellschaft, welche sich mit der Verbindung zwischen fernöstlichen Religionen und westlichen Rationalitätsvorstellungen befasste. Das ZNF hat unter seinem Dach eine Initiative, die Psychologen, Theologen und Philosophen beteiligt. In dem dazugehörigen Curriculum Friedensblidung lehren auch Politologen, Mediziner und Literaturwissenschaftler. Gemeinsam bilden sie den Initiativkreis Friedensbildung.
Nachruf auf der Hompage der deutschen Pugwash Sektion www.pugwash.de